Sonntag, 12. Juni 2011

Psychologie des Bösen

Die Probanden sind Handverlesen. Ihr psychologisches Profil ist unauffällig; keiner der Teilnehmer hat je körperliche Strafen erlitten oder sonstige traumatische Erfahrungen gemacht. Es sind 18 ganz normale Studenten. Sie alle haben sich freiwillig gemeldet, um an einem Experiment teilzunehmen. Um die Auswirkungen von Gefangenschaft zu untersuchen, sollen die Jungs in einem umfunktionierten Keller einer Uni 2 Wochen lang Wärter und Gefangene spielen. Die Rollen werden per Münzwurf zugeteilt, und die einzige Arbeitsanweisung lautet : Keine körperliche Gewalt.
Die Jungs sind bester Laune - Doug Karlson, einer der "Insassen", erklärt sogar in einem Fragebogen :
"Das ganze ist lächerlich - ein Spiel, sonst nichts. Ich werde 100% die 2 Wochen durchhalten - ohne Mühe."

Tatsächlich gerät das Experiment bereits nach 36 Stunden außer Kontrolle. Die "Wärter" setzen noch in der ersten Nacht Schlafentzug ein und wandeln eine alte Besenkammer zur Isolationszelle um; es kommt zu einem "Gefangenenaufstand", den die "Aufseher" brutal niederschlagen. Karlson erleidet als erster einen Nervenzusammenbruch. Nach 6 Tagen muss der Versuchsleiter das Experiment abbrechen.

Ergebnisse
Von 9 "Wärtern handeln 7 sadistisch, 2 setzen ganz offen psychische Folter ein.
4 "Insassen erleiden Zusammenbrüche.

75% aller Menschen sind bereit zu foltern
Die meisten Menschen glauben, sie selbst hätten in dem Experiment anders gehandelt. Sie sehen sich als den Wärter, der gegen die Grausamkeiten eingeschritten wäre, oder als den Häftling der rebelliert hätte. In Wirklichkeit belegen Studien :
Mehr als 75% aller Menschen sind nicht nur bereit zu foltern - sondern auch zu töten. Der Wandel zum Bösen vollzieht sich dabei in einem Wimpernschlag - und zwar ohne das wir uns dessen bewusst sind.
Denn : "Nicht die Persönlichkeit eines Menschen entscheidet, ob er grausam handelt, sondern die Umstände."

Und du - würdest du jemals einen Menschen quälen ?
Die Versuchsteilnehmer des Psychologen A. Bandura waren Studenten, die er anwies, 3 weitere Teilnehmergruppen über jeweils 10 Runden mit Elektroschocks zu malträtieren, sobald diese eine Aufgabe falsch ausführten. Die "Schocker" konnten dabei selbst den Härtegrad der Schläge wählen - von 1(mild) bis 10(extrem stark). Kurz vor dem Experiment lies Bandura die Studenten scheinbar zufällig ein Gespräch zwischen den Versuchsleitern mithören :
Die Männer behaupteten, Opfergruppe A sei nett und die Mitglieder der Gruppe B würden sich wie Tiere verhalten. Über Gruppe C wurde nichts gesagt.
Was die Studenten nicht wussten :
Die Opfer waren alle eingeweiht, die Schocks unecht und auch das mitgehörte Gespräch war ein gewolltes Schauspiel. Bereits ab der 2. Versuchsrunde wirkte sich aus, was die Studenten gehört hatten. Während sie die "neutrale" Gruppe durchschnittlich mit Schlägen der Stärke 5 quälten, milderten sie die Strafe bei der netten Gruppe auf 3. Der bösen Gruppe wurden fast immer Stromschläge der Stärke 8 verabreicht.
Zufall ?
Absolut nicht.
Der auserkorene Feind wird vom Gehirn nicht mehr als Mensch mit Gefühlen wahrgenommen, sondern als Objekt.
Bandura bewies : Bereits ein Satz ( . . . verhalten sich wie Tiere) genügt, um diesen Prozess in Gang zu setzen.

Die Bedeutung von Aufgaben
Bekommen wir eine Aufgabe, können wir die Verantwortung abschieben. Vor allem aber suggeriert die bloße Übertragung der Aufgabe an uns, dass wir etwas Besonderes sind - nämlich der Aufgabe würdig. Ein Belohnungsgefühl entsteht - und unser Gehirn beginnt sofort, alle Maßnahmen zu rechtfertigen die zur Aufgabenerfüllung eingesetzt werden. Sollte dennoch ein Restzweifel an den eigenen Taten bestehen, stellt das Gehirn eine "kognitive Dissonanz" her. Dieser Effekt tritt vor allem dann auf, wenn wir grausam handeln, obwohl wir ahnen das es eigentlich eine andere Möglichkeit gibt. Um eine gute Erklärung für das Böse anzuführen verändern wir uns selbst, wir gleichen unseren Charakter immer weiter der Rolle an die wir übernehmen. Auf genau dieses Verhalten sind wir von der Evolution seit Jahrtausenden programmiert. Denn nur intakte Gemeinschaften sind überlebensfähig. Wer aus der Reihe tanzt gefährdet die Sicherheit.
Das bedeutet : Wir akzeptieren nicht nur blind die Anweisungen, sondern führen auch uns zugeteilte Aufgaben aus.
Im Rahmen eines ähnlichen Versuches zeigte sich :
Jede Weigerung, einem Befehl Folge zu leisten verursacht ein Stresslevel, das sonst nur bei schweren Traumata auftritt - selbst dann, wenn die Probanden wissentlich grausam handeln sollten. Erst die Ausführung des Verlangten bringt Erleichterung - denn evolutionär gesehen bleibt so die Gruppe intakt. Unser Gehirn gerät in den "Agens-Zustand" - wir folgen und befolgen automatisch, während wir gleichzeitig jeden Bewertungsmechanismus ausschalten. Im Agens-Zustand sind wir meist unfähig, zu erkennen, was Recht und was Unrecht ist.
Eine Auswertung von 75 Flugzeugunglücken zeigte, dass 25% der Unfällehätten vermieden werden können.
Warum ?
Weil die Piloten offensichtlich Fehlentscheidungen trafen. Dennoch stellte sich keiner der Co-Piloten gegen diese Entscheidungen.

Das Zusammenwirken dieser 3 Faktoren - die Erschaffung eines Feindbildes, Anweisungen von Oben und zugeteilte Aufgaben - öffnet fast immer dem Bösen Tür und Tor.

2 Kommentare:

  1. Das erinnert mich an den Spielfilm: "Das Experiment!" Dort wird genau das gezeigt (Häftling-Wärter) wie du es hier beschreibst.
    Meine Meinung dazu ist... wenn wir die unerschöpflichen Moralpredigten und die gesetzlich festgelegte Staatsordnung nicht hätten, wäre hier das Höllenchaos der grausamsten Art. Das beweisen wir doch u.a. auch dadurch, dass, wenn in einem Land eine große Naturkatastrophe die Menschen heimsucht, geplündert, gemordet, vergewaltigt etc. wird, anstatt zusammenzuhalten!
    Der Mensch ist und bleibt nun mal, die grausamste Bestie unter den hier lebenden Kreaturen.
    LG-GiTo

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  2. Darüber habe ich schon 3 Berichte mit originalem Filmmaterial im Fernsehen gesehen Es war erschreckend, einfach nur erschreckend und egal was Wissenschaftler schreiben, nein ich wäre nicht zum Äussersten gegangen, obwohl ich weiss es nicht genau, weil ich nie und nimmer an solchen Studien teilgenommen hätte. Informativer gut geschriebener Eintrag...

    noch einen schönen Pfingstmontag... herzlichst Elke

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Hey du . . . ja dich mein ich . . . über ein Kommentar würde ich mich sehr freuen.
Danke für deinen Besuch.